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Buchbesprechung

"Tipps für Eltern" - ein Erziehungsratgeber
von Jörg Matthée


Natürlich wollen die meisten Eltern nur 'das Beste' für ihre Kinder, doch die Ansprüche sind heutzutage hoch und häufig entsteht daraus schon in der frühkindlichen Erziehungsphase ein Perfektionsdruck, an dem auch die motiviertesten Eltern verzweifeln können. Wie soll und kann der Spagat zwischen kindlichen Bedürfnissen und gesellschaftlicher 'Fitness' bewältigt werden? Die Verunsicherung vieler Eltern hat in den letzten Jahren einen riesigen Markt für Erziehungshilfen entstehen lassen; von Krippenelternabenden, Elternbildungstagen, TV-Supernanny-Shows, Workshops, Internet-Beratungsabzockern und dubiosen Hotlines bis zu jenen endlosen Regalmetern voll mit Erziehungsratgeber-Büchern, die niemand mehr überblicken kann.
Brauchen wir da also wirklich noch mehr „Tipps für Eltern“, wie nun ein neues „Erziehungsratgeber-Lexikon“ des Psychologen und Psychotherapeuten Jörg Matthée betitelt ist? Hilfreich kann ein weiteres Werk in diesem Genre wohl nur sein, wenn es sich qualitativ von der Ratgeberschwemme abhebt - und ja: das tut dieses Büchlein auf eine konzeptionell und inhaltlich überzeugende Art.

Jörg Matthée studierte Pychologie und Soziologe in Hamburg, arbeitet seit 30 Jahren als Therapeut und Berater in verschiedenen Einrichtungen der Familien- und Jugendhilfe im Raum Berlin und vor Allem: er ist selbst Familienvater.
Das 155-seitige „Lexikon“ ist in 80 Kurzkapitel unterteilt, die alphabetisch nach Stichworten von „Anfassen“ bis „Zukunft“ gereiht sind. Jedes führt in die zugehörige Problemstellung mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis ein, um dann kurz den therapeutischen Erklärungs- und Hilfsansatz zu erläutern und schließlich mit einem fett hervorgehobenen „Tipp“ das Kapitel zusammenzufassen – als kleiner plakativer 'Reminder', den man/frau sich auch gern notieren und an die Pinwand der Erziehungsagenda heften kann.
Neben den vielen 'zeitlosen' Erziehungsfragen wie jenen zu Freundschaft, Geschwistern, Gesundheit, Pubertät, Schule, Spielen, Taschengeld, Vertrauen und Werten geht Matthée auch auf neuere Problemstellungen wie die digitale Mediennutzung und das damit manchmal verbundene Cybermobbing ein; er betont den Wert kultureller Anregungen und plädiert für eine kritische Auseinandersetzung mit den zahllosen Konsumverführungen für Kinder und Jugendliche. Dass der Autor ein erfahrener Psychologe ist, merkt LeserIn auch bei der Behandlung von Themenkreisen der familiären Beziehungsebenen, der Konfliktklärung und Krisenbewältigung, der Gefühle, Sexualität, Ärger und Wut.
         Matthée Tipps für Eltern


Wie auch Matthée selbst in seinem Nachwort schreibt, sind die „Tipps für Eltern“ nicht einer bestimmten pychologischen oder psychotherapeutischen Schule zuzuordnen, sondern kombinieren – je nach Lagerung der Problemstellung – Elemente aus der Verhaltenstherapie, der Psychoanalyse, der Integrations- und Gestalttherapie, der Systemischen Therapie und der Gesprächspsychothearpie – alles klar verständlich und ohne das fachakademische Gedöns einer „Expertokratie“. Damit ist auch gewährleistet, dass dieses Taschenbuch von engagierten Eltern aus allen sozialen und Bildungs-Schichten mit Gewinn gelesen werden kann, als Hilfestellung auf Augenhöhe.
Statt ein Dutzend Erziehungsratgeber im Regal zu haben und in Problemsituationen oft nicht genau zu wissen, welche Stelle in welchem Werk aufzuschlagen wäre, ist hier für Eltern (und solche, die es werden wollen) durch die lexikalische Themenanordnung und die gut verständliche Darstellung eine knappe und kluge „Soforthilfe“ angesagt. Empfehlenswert ist aber auf jeden Fall die Gesamtlektüre, denn durch das gesamte Buch ziehen sich einige Grundmotive, die für die Selbstentwicklung elterlicher Kernkompetenzen eine wichtige Rolle spielen. Die bestehen für Matthée weder in rigorosen autoritären Rahmensetzungen noch einer Überbehütung (“Helikoptern“), aber auch nicht in einem desinteressierten Laissez-faire. Sondern vor Allem in der Offenheit und Achtsamkeit für eine ganzheitliche Betrachtung der Kindesentwicklung, einer umfassenden Persönlichkeitsförderung und einer damit verbundenen Gelassenheit in Situationen, wenn mal „was schief läuft“ - in Liebe, (Selbst-)Vertrauen und mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit.

„Unsere Kinder sind ein Teil der Zukunft. Deshalb sollten wir die Kinder und die Welt, in der sie leben, so behandeln, dass die Kinder und die Welt eine Zukunft haben.“


Besprechung: Werner Friebel

Dieses Buch "Tipps für Eltern von A bis Z - Ein kleines Erziehungsratgeber-Lexikon" wurde für den Indie-Autor-Preis bei der Leipziger Buchmesse 2015 nominiert.
Wer Jörg Matthée unterstützen möchte, kann hier für das Buch voten!
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