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Das gängige Klischee, dass die heutigen Jugendlichen Protagonisten einer hemmungslosen und zutiefst oberflächlichen Spaßgesellschaft seien, geht nach Ergebnissen mehrerer aktuellen Jugendkultur-Studien in Deutschland und Österreich an der Realität vorbei.
Tatsache ist vielmehr, dass die heutige Jugend mehr als jede Jugendgeneration zuvor darum bemüht ist, Lebensernst und Lebensspaß/Lebensgenuss mit hohem Authentizitätsanspruch in ein ausgewogenes und harmonisches Verhältnis zu bringen.

Jugend in der Freizeitgesellschaft

Neben Freunden und Familie ist die Freizeit einer der für Jugendliche wichtigsten Lebensbereiche. Kein Wunder, sind die heutigen Jugendlichen doch Kinder der Freizeitgesellschaft. Vor allem für die unter-20-Jährigen ist viel Freizeit zu haben ein Kriterium für Lebensqualität.

Interessant ist, dass Freizeit für Mädchen wie auch für Jungs nicht automatisch Aktivität bedeutet. Vielmehr ist es so, dass insbesondere im Jugendalter das Bedürfnis nach Ruhe, Muße, Relaxen, oder - wie es die Jugendlichen nennen - Couchen besonders stark ausgeprägt ist. Die Freizeit positiv zu erleben, bedeutet für Jugendliche, die richtige Mischung zwischen attraktiven Erlebnisangeboten und genüsslichem Faulenzen und Nichtstun zu finden.
Mit anderen Worten: Jugendliche wollen aus der ihnen zur Verfügung stehenden Freizeit das Bestmögliche herausholen, jedoch ohne sich dabei von der Freizeitgesellschaft unter Druck setzen zu lassen.

Generell wird die Freizeit von den Jugendlichen als Kompensationssphäre zum oft stressig erlebten Ausbildungsalltag wahrgenommen (die Wandersage, dass Arbeit bzw. Ausbildung und Freizeit immer mehr zusammenwachsen und dabei neue Selbstverwirklichungschancen eröffnen, stimmt aus der Sicht der Mehrheit der Jugendlichen demnach nicht).

Alles in allem unterscheidet sich das Freizeitverhalten der österreichischen Jugendlichen nur wenig von dem der deutschen Jugendlichen: In beiden Ländern sind Musik, Medien, Freunde und das Partizipieren an Jugendkulturen und jugendkulturellen Stilen die wesentlichen Eckpfeiler des jugendlichen Freizeit-Mix. Als generelle Regel gilt dabei: Gestaltbare Freiräume werden von den Jugendlichen attraktiver erlebt als pädagogisch geschützte Schonräume.
      Urige Freizeitgestaltung:



Outdoor-Philosophie am Schwedenfeuer

Jugendkultur als identitätsstiftende freizeitorientierte Themenwelt

Die Jugendkultur mit ihrer bunten Vielfalt an populären jugendkulturellen Szenen spielt heute eine zentrale Rolle in den jugendlichen Freizeitwelten und sie dient den Jugendlichen zugleich auch als Leitkultur. Wie der "4. Bericht zur Lage der Jugend" in Österreich zeigt, finden 8 von 10 Mädchen und Jungen im Alter von 14 bis 19 Jahren eine oder auch mehrere jugendkulturelle Szenen cool oder sympathisch. Sie zählen zur Gruppe der "allgemein Jugendkulturorientierten", die sich mit jugendkulturellen Themenwelten und Stilen auseinandersetzen und sie in ihre Identitätsbildungsprozesse einweben.

Der Anteil derer, die sich als feste "Mitglieder" bzw. aktive Produzenten der Jugendkultur begreifen, ist erwartungsgemäß kleiner. Wie die Daten zeigen, sind hier männliche Jugendliche aus mittleren und höheren Bildungsschichten sowie Jugendliche mit hoher Affinität zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien überrepräsentiert.

Die treibende Kraft der zeitgenössischen jugendkulturellen Szenen ist demnach im Segment der jungen Trendsetter und Innovatoren zu lokalisieren. Für die Gemeinschaftsbildung der Jugendlichen spielen jugendkulturelle Themenwelten aber auf einer viel breiteren Ebene eine Rolle - insbesondere jene aus den Bereichen Musik und Funsport.

Wie die Studien in Deutschland und Österreich zeigen, sind neben der Chemie, die stimmen muss, und der räumlichen Nähe gemeinsame Musikinteressen, lebensstilistische Gemeinsamkeiten, gemeinsame Szenetreffs und teils auch gemeinsame Sportinteressen die zentralen Bindungsfaktoren in jugendlichen Cliquen. Gemeinsames Engagement für gesellschaftliche Anliegen oder gemeinsame Aktivitäten in einer Jugendorganisation spielen für die Bildung fester Freundeskreise hingegen eine deutlich untergeordnete Rolle.

Interessantes Detail: Jugend-Cliquen sind großteils nicht strikt altershomogen. Sie sind also nicht Gleichaltrigengruppen im engen Sinne, sondern "Peer-Cliquen", in denen gemeinsame Interessen und Alltagserfahrungen unter annähernd Gleichaltrigen Gruppenidentität stiften und zu denen grundsätzlich auch (etwas) Jüngere und (etwas) Ältere Zugang finden - freilich unter der Voraussetzung, dass sie die in der Clique gemeinschaftsstiftenden Interessen teilen.

Lebensziele und Werte

Gerade die jugendkulturorientierten Jugendlichen wirken nach außen hin oft irritierend expressiv und - zumindest für jene, die sich mit Jugendkultur nicht näher beschäftigen - häufig auch ein wenig oberflächlich. Wie der 4. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich zeigt, sind sie innen drin meist aber verblüffend solide.

In ihren Lebenszielen und Werten bewegen sich die Jugendlichen großteils nicht auf Konfrontationskurs zu den Wertewelten der Elterngeneration. Die wichtigsten Lebensziele, die Jugendliche verfolgen, sind, gute Freunde und ein harmonisches Familienleben zu haben, Sicherheit - ganz allgemein gesehen und im speziellen ein sicherer Arbeitsplatz, Spaß im Leben zu haben und später einmal einen Beruf auszuüben, der nicht nur pure Pflicht ist, sondern auch Raum für Selbstverwirklichung bietet und Freude macht.

Für eine subjektiv gelungene Jugendphase ist natürlich die richtige Dosis Spaß im Leben wichtig. Doch Spaß ist nicht alles. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Ausbildung als Investition in die berufliche Zukunft gewinnt bei der heutigen Jugend immer mehr an Bedeutung - nicht zuletzt deshalb, weil die Jugendgeneration der Jahrtausendwende in Österreich wie in Deutschland in eine beruflich unsichere Zukunft blickt. Ausbildung und Arbeit haben in den Lebensperspektiven der Jugendlichen während der letzten Jahre tendenziell an Bedeutung gewonnen; auch das Leistungsbewusstsein der Jugendlichen ist leicht gestiegen.
Der Leitsatz der heutigen Jugendgeneration scheint zu lauten: "Nimm dein Leben selbst in die Hand."

In den Selbstkonzepten der Jugendlichen manifestiert sich ein tiefer Wunsch, selbstbestimmt, selbständig und selbstverantwortlich zu sein. Überall dort, wo sich die Jugendlichen von der Erwachsenengesellschaft mit ihren Anliegen und Problemen ungenügend verstanden fühlen, wird dieser Wunsch nach Selbstverantwortlichkeit freilich ungewollt zum Zwang.
Das Lebensmotto der Jugendlichen lautet dann plötzlich durchaus resignativ: "Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner."
Zusammenfassung der Ergebnisse des
"4. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich"
und verschiedener Studien in Deutschland

 

"Philosophie der Lebenskunst" im Unterricht

Die Frage nach dem "Sinn des Lebens" wird in der Schule gewöhnlich ausgeblendet, obwohl für junge Menschen sicher nichts interessanter ist als ebendiese. Natürlich kann die Schule darauf auch keine normative, geschweige denn letztgültige Antwort geben, zumal die Antwort "Lernen" wohl kaum breitere Akzeptanz fände ;-)
Was aber Schule dazu leisten kann, ist die Förderung der geistigen Auseinandersetzung mit unseren subjektiven und 'objektiven' Lebensbedingungen - und das nicht nur im Fach Ethik!
Es geht dabei um eine "Philosophie der Lebenskunst", die ja nicht nur eine Angelegentheit der individuellen Launen ist, sondern sich durch Reflexion und Diskurs über 'sinnvolle', also vernetzte, Weltvorstellungen entwickeln lässt. Und das nicht nur auf der rationalen Ebene, sondern auch zur Bewusstwerdung der eigenen emotionalen Grundhaltung, aus der ja erst die Motivation für eine individuell (gelingende) Lebensführung erwächst.
Als Anregung dazu hier eine Mind-Map, die ihr nicht nur diskutieren, sondern selbst mit eigenen Einsichten bereichern, verändern und erweitern könnt.

Concept-Map "Philosophie der Lebenskunst" (in progress)




Selbstverständlich könnt ihr die Map auch ausdrucken (CC-License), im Unterricht verwenden oder eure eigene gestalten - Anleitung nebst Link zur Software in den "Philosophischen Schnipseln".
Werner Friebel



Buch "Tipps für Eltern"

Ein Erziehungsratgeber-Lexikon von Jörg Matthée / Buchbesprechung



Völlig out...


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