Musikpädagogik+ Quintenzirkel
(Info-Links, Fachartikel, Freie Software +
U-Material s.u.) |
Das Thema liegt mir sehr am Herzen, weil da
Vieles im Argen und Unwissen liegt.
Zwar ist es sehr erfreulich, daß es an den Schulen viele engagierte Musiklehrer gibt, die ausserhalb des regulären Unterrichts Projekte wie Chöre, Schulbands und -orchester betreuen und an den Schulen Auftrittsmöglichkeiten schaffen, doch wird das der bildungs- und gesellschaftspolitischen Bedeutung einer umfassenden Musikförderung noch nicht gerecht. Es ist altbekannt (und durch Forschungen der Neurobiologie bestätigt), daß engagierte Musikerziehung sich positiv auf logisches Denkvermögen, Kreativität, Sensibilität, Stärkung sozialer Fähigkeiten, ergebnisorientiertes Lernen und das Selbstbewusstsein auswirkt. (Und zwar sowohl bei Lehrenden als auch Schülern). Daß dies nunmehr ganz außer Zweifel steht, zeigt die folgende Studie von Professor Dr. Hans Günther Bastian vom Institut für Musikpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt, bei dem ich mich für die unbürokratische und freundliche Unterstützung zu diesem wichtigen Thema herzlich bedanke. (Leider ist Herr Bastian im Juli 2011 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt - seine wissenschaftliche Arbeit hat die Denk- und Handlungsperspektiven der modernen Musikpädagogik wesentlich erweitert und wird als Grundlegung für künftige Forschung auf diesem Gebiet maßgeblich bleiben.) |
Kinder optimal fördern - mit MusikErgebnisse einer sechsjährigen Langzeitstudie über Wirkungen von Musik und Musizieren auf die Entwicklung 6- bis 12-Jähriger von Hans Günther BastianEs gibt keine Zweifel mehr: Musik und Musizieren bereichern die Lebensqualität und die Lebensfreude unserer Kinder und fördern sie in einem nicht vermuteten Ausmaß. Was erfolgreiche Musikerzieher schon immer wussten, wird nun durch Ergebnisse einer empirischen Studie repräsentativ bestätigt. Die Schlussbilanzen der zwischen 1992 und 1998 an sieben Berliner Grundschulen durchgeführten Untersuchung des Einflusses von erweiterter Musikerziehung (Musikunterricht + Instrumentlernen + Ensemblespiel) auf die allgemeine und individuelle Entwicklung von Kindern fordern bildungsprogrammatisch, dass alle Kinder in den Grundschulen aller Bundesländer die Chance erhalten, ein Instrument zu lernen und in einem Ensemble ihrer Wahl zu musizieren. In diesem Artikel sollen einige ausgewählte Ergebnisse der Studie vorgestellt werden.
Warum dürfen wir einen positiven Zusammenhang zwischen Intelligenz und Musik vermuten? Vom Blatt-Spielen erfordert die schnelle und gleichzeitige Verarbeitung von Informationen in extremer Fülle und Dichte (Noten, Takt, Tempo, Lautstärke, Agogik, usw.). Abstraktes und komplexes Denken sind beansprucht, auch im Voraus- und Nachhören der Musik zum gerade gespielten Takt. Bei keinem anderen Fach, bei keiner anderen Tätigkeit muss ein Kind so viele Entscheidungen gleichzeitig treffen und diese kontinuierlich über solche Zeitstrecken hinweg abarbeiten. Diese Kombination von konstanter, kontinuierlicher Achtsamkeit und Vorausplanung bei ständig sich verändernder geistiger, psychischer und physischer Beanspruchung konstituiert eine erzieherische Erfahrung von einzigartigem und daher unverzichtbarem Wert. Musik ist stets ratio, emotio und motio in einem Aneignungsprozess.
3. KonzentrationFür die Gesamtstichprobe heutiger Grundschulkinder lässt sich bilanzieren, dass die Fähigkeit zur konzentrierten Wahrnehmung von der 1. bis zur 6. Klasse im Trend eher nachlässt, was sicher auch auf zunehmende Umwelt- und insbesondere Medieneinflüsse zurückgeführt werden kann.Erfreulich ist die Bilanz für Lehrer aller Fächer: In der Modellgruppe gibt es weniger schwache und weniger extrem schwache Konzentrationsleistungen als in der Kontrollgruppe. Dies bedeutet, dass das Musizieren besonders Kindern mit hohen Konzentrationsdefiziten interventiv und kompensativ helfen kann.
6. Allgemeine SchulleistungenMusikbetonung bedeutet an Berliner Grundschulen für alle Schüler zusätzliche Zeitinvestitionen bis in die Nachmittagsstunden, so im Erlernen eines Instrumentes, im Üben, im Ensemblespiel oder in der Vorbereitung von Aufführungen. Ein geradezu sensationelles und für Eltern/Erziehungsberechtigte wichtiges Ergebnis: Der erhebliche Zeitaufwand geht ganz eindeutig nicht zu Lasten der allgemeinen schulischen Leistungen. Zu keinem Erhebungszeitpunkt sind die Leistungen der Kinder aus der Modellgruppe in den sogenannten "Hauptfächern" schlechter als die der Kinder aus der Kontrollgruppe. Der prozentuale Anteil der Kinder mit überdurchschnittlich guten Leistungen ist in der Modellgruppe oftmals höher als in der Kontrollgruppe.Dies gilt für die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch. Hier bestätigen wir Ergebnisse, wie sie auch in der sogenannten Schweizer Studie vorliegen. Daraus ist für Eltern und Erzieher stringent zu folgern: Lasst Eure Kinder musizieren, trotz und gerade wegen schulischer Durststrecken! Ein Abmelden vom Instrumentalunterricht wäre für die kindliche Entwicklung in kognitiver und emotionaler Hinsicht geradezu kontraproduktiv!
Den Autor würde es freuen, wenn alle Kultusminister die Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie "Musik(erziehung) und ihre Wirkung" (Schott Verlag, Mainz) für gute Argumente gegen kulturabstinente Finanzminister (= Sparminister) nutzen könnten. |
Plädoyer für Musik!Die schlichte Botschaft lautet daher: Politiker, Eltern, Lehrer, lasst unsere Kinder musizieren! Und sie tun dies nicht um der sozialen oder kognitiven Nebenwirkungen wegen, sondern ausschließlich um ihrer selbst willen, aus Freude an der Musik und an der eigenen Begabung. Musik hat ihren primären Wert nur in sich selbst, sie ist als ästhetische Erfahrung absolut zweckfrei, ja ganz nutzlos. Und genau das macht sie so wertvoll! (nach Oscar Wilde)Wo immer wir Kinder fordern und fördern wollen, wo immer wir Verantwortung für ihre Entwicklung tragen, sollte Musik mit ihrem Geist-, Gefühls-, Kreativitäts- und Sozialpotential ins Spiel kommen. Wir brauchen sie, die Musik, heute dringender denn je! Professor Dr. Hans
Günther Bastian (†)
(Textauszüge mit freundlicher Genehmigung des "Schott Verlages") |
Neues zu positiven Wirkung des MusizierensDie Studienergebnisse von Professor Bastian sind mittlerweile durch
viele weitere Studien und "Live-Experimente"
bestätigt worden. Den aktuellen Stand der Intelligenz- und
Verhaltensforschung hinsichtich der positiven Effekte des aktiven
Musizierens für die kindliche Entwicklung finden Sie hier in mehreren aktuellen 3sat-Beiträgen.
wf
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Manfred Spitzer: "Musik im Kopf" Schattauer Verlag, 468 Seiten |
Wirkung von Musik im neuronalen NetzwerkPädagogik, Hirnforschung und Neurologie beschäftigen sich
zunehmend mit der Wirkung von Musik im Kopf. Viele positive
Wirkungen konnten Sie gerade dem Beitrag von Günther Bastian
entnehmen, aber dass Musik das Gute im Menschen hervorbringe,
hält allerdings auch Bastian selbst für Unsinn. Und so
erweist sich inzwischen manches, was Musikforscher euphorisch
verkündeten, als fragwürdig – dass Musik die
Intelligenz steigert etwa. Bei Musikern ist der Balken, der die
Gehirnhälften verbindet, um bis zu 15 Prozent dicker, fanden
Physiologen heraus. Dass dies die Denkleistung erhöht, wird
heute bezweifelt.
Denn das neuronale Geschehen beim Hören von Musik ist zu komplex, um ihre Wirkung physikalisch zu erfassen. Noch immer könne niemand genau erklären, wie Musik auf das Gehirn wirkt– weder beim Musizieren noch beim Hören, sagt Reinhardt Kopiez, Professor für Musikpsychologie in Hannover. Harmonie, Rhythmus, Melodie und Dynamik seien zu eng verwoben, um sie vollständig in »physikalischen Wirkungsparametern« zu beschreiben. Löse man einzelne Aspekte heraus, könne man zwar gewisse Reaktionen wissenschaftlich genau feststellen, in der Psychoakustik etwa, habe es dann aber nicht mehr mit Musik zu tun, sondern mit einzelnen Tönen oder bloßen Rhythmen. Auch in Therapien, in denen musiziert wird, heilt meist nicht die Musik selbst. So lässt etwa der Neurologe Thomas Münte an der Universität Magdeburg teilgelähmte Patienten Melodien auf Drumpads nachspielen. Heilend wirkt dabei das Einüben komplexer Bewegungen. Die Klänge steigern lediglich Motivation und Lerntempo. Hat die Musik selbst eine Wirkung, dann vor allem auf die Gefühle, denn die Hörzentren im Gehirn sind mit dem limbischen System verbunden, das die Emotionen steuert. Musik kann eine Gänsehaut auslösen, beruhigen oder aufputschen – und sie kann Erinnerungen wachrufen. So erinnern sich Alzheimerkranke, denen man Stücke aus ihrer Jugend vorspielt, zuweilen an Dinge, die längst vergessen schienen. Wie genau solche Prozesse funktionieren, ist noch nicht restlos geklärt, aber der renommierte Neuropsychiater Manfred Spitzer hat in einem "fetten Wälzer" den komplexen Stand der Dinge zusammengefasst und damit ein Standardwerk als "Pflichtlektüre" für alle ernsthaft mit Musik beschäftigten geschaffen. wf/ "Die ZEIT"
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Der Quintenzirkel
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Unsere
Lehrbuch-Empfehlung:
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Der Untertitel "Ein musikalisches
Arbeitsbuch für Klassik, Rock, Pop und Jazz"
hält was er verspricht.
Beide Bände decken von Anbeginn bis weit in das Fortgeschrittenen-Stadium diesen oft vernachlässigten Bereich für alle Instrumente hervorragend ab und wird von uns seit vielen Jahren erfolgreich im Unterricht eingesetzt. Haunschild erklärt sehr verständlich und überhaupt nicht trocken diese komplexe Materie und veranhörlicht diese auch mit einer Trainings-CD (in Band 1). |
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