spirale

Religions- &
Ethikunterricht

(Rezensionen und Themenlinks s.u.)



"In einer demokratischen Gesellschaft nimmt die Schule ihren Auftrag nur wahr, wenn sie Schülerinnen und Schüler befähigt, eine eigene Position zu finden, in der geistigen Auseinandersetzung weiterzuentwickeln und im Streit der Meinungen für sie einzutreten. Dem Religionsunterricht kommt hierbei eine besondere Aufgabe zu. Er ist ein unentbehrlicher Beitrag dazu, dass Schülerinnen und Schüler von ihrer Religionsfreiheit einen eigenständigen Gebrauch machen können. Unser Land braucht diesen Raum, der die Beheimatung in der je eigenen Überzeugungwelt stärkt und zum Dialog zwischen unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Positionen befähigt. Dafür sollte sich die Gesellschaft im Ganzen engagieren."
Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Diesem Statement Herrn Hubers werden wohl die meisten von Ihnen zustimmen.
Daraus folgt auch, daß eine einseitige konfessionsgebundene Wertevermittlung kontraproduktiv ist. Stattdessen geht es ja darum, den Schülern verschiedene Möglichkeiten der Weltanschauung und Lebensgestaltung aufzuzeigen und die Entwicklung eines indoktrinationsfreien, wachen und kritischen Wahlprozesses zu fördern, also zu coachen!

Die aktuelle Diskussion über die Vermittlung restriktiver Weltanschauungen wie Kreationismus u.A. im Religions- und Biologieunterricht - vor Allem in den USA - wirft generelle Fragen nach dem Sinn oder der Berechtigung auf, reine Glaubensinhalte im Rahmen allgemein zugänglicher und zur Allgemeinbildung verpflichteter Schulen überhaupt als Inhalte vertreten zu können und gar zu benoten!
Bis heute ist der Religionsunterricht in Deutschland im Grundgesetz (Art. 7) als einziges Unterrichtsfach abgesichert und steht unter staatlicher Aufsicht. Er ist somit wie jeder andere Unterricht auch demokratischen Grundsätzen verpflichtet und kein "verlängerter Arm der Kirche in der Schule".

Ethik oder Religion?

Eigentlich stellt sich nach dem Vorangesagten diese Frage nicht mehr, da beides gleiche Themen zum Inhalt haben sollte. Folglich ist nichts dagegen einzuwenden, daß der "weltanschauliche Unterrichtsinhalt" von theologisch ausgebildeten "Coaches" moderiert wird.
Allerdings baut die Ethik als philosophische Disziplin allein auf die Prinzipien des Erkennens und der Vernunft und ist somit per se agnostisch. Darin unterscheidet sie sich vom klassischen Selbstverständnis theologischer Ethik, die sittliche Prinzipien als in Gottes Willen begründet annimmt und insofern implizit den Glauben an eine göttliche Offenbarung voraussetzt, während die philosophische Disziplin Ethik (die auch als 'Moralphilosophie' bezeichnet wird) nach Antworten auf die Frage sucht, wie in bestimmten Situationen gehandelt werden soll.
Die einfachste und klassische Formulierung einer solchen Frage stammt von Immanuel Kant: "Was soll ich tun?"
Daraus resultieren Ergebnisse in anwendbaren ethischen (bzw. moralischen) Normen, die beinhalten, dass unter bestimmten Bedingungen bestimmte Handlungen geboten, verboten oder erlaubt sind.

Die Frage „Gibt es einen Gott?“ wird vom Agnostizismus dementsprechend nicht mit „Ja“ oder „Nein“, sondern mit „Es ist nicht geklärt“, „Es ist nicht beantwortbar“ oder mit „Es spielt keinerlei Rolle“ beantwortet.
Diese Weltanschauung betont insbesondere die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens.

Der Begriff des Agnostizismus wurde maßgeblich durch Thomas Henry Huxley (1869) geprägt. Obwohl es sich um eine noch junge Begriffsbildung handelt, ist die dahinter stehende Auffassung deutlich älter und findet sich u. a. bei Buddha, Laotse, einigen griechischen Vorsokratikern und Sophisten und natürlich vielen - auch theologischen! - Wissenschaftlern und Künstlern (z.B. Schopenhauer, Hegel, Steven Hawking, Camus).

Unterschiede der Weltreligionen

In den Fragen nach Gott, Schöpfungsakt, Jenseits, ewiger Seele und der Reinkarnation bestehen zwischen den Weltanschauungen wesentliche Unterschiede.
Nur Christentum, Judentum und Islam, deren Glaubensinghalte Ihnen im Wesentlichen bekannt sein dürften (wenn nicht, Links verfolgen!), sind als monotheistische Religionen in ihrem Gottesbild, den daraus abgeleiteten moralischen Prinzipien und in der Vorstellung eines "Himmelreiches" nach dem Tod sehr ähnlich.
Im Hinduismus gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück.
Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Moksha) stimmen nicht überein.
Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, sie glauben an die Reinkarnation.
Buddhismus bezeichnet ebenso ein Sammelsurium unterschiedlicher Glaubensrichtungen, die aber grundlegend andere Wege als der Hinduismus beinhalten. Anstatt einer gottgeschaffenen, individuellen Seele steht die Anerkennung einer 'bedingten Existenz' (Anatman) im ursprünglichen Buddhismus Gautamas, der sich interessanterweise etwa gleichzeitig mit den ethischen Idealen der altgriechischen Philosophie entwickelt hat, keinen Übergang einer seelischen Substanz von der einen auf die andere Existenz, keine Transmigration, keine Wanderung der Seele. Wiedergeburt wird verstanden als eine Kontinuität der Geistesprozesse, als Fortsetzung der beim Ableben eines Individuums weiterwirkenden mentalen Kräfte und Lebensleistungen (Karma), die sich in einer neu in Erscheinung tretenden Existenz aufs Neue reaktualisieren.

Im Übrigen möchte ich noch darauf hinweisen, dass die dem ursprünglichen Buddhismus zugrunde liegenden Gedanken Siddharta Gautamas in den philosophischen Bereich des "Schwachen Agnostizismus" einzuordnen sind und somit keine theistische Religion.
Es sind Vorschläge zu Reflexion, Meditation, Aufmerksamkeit und daseinsorientiertem Handeln.
Die heute existierenden, teilweise recht unterschiedlichen und vermischten buddhistischen Lehrmeinungen haben sich in verschiedenen sozialen Strukturen erst später herausgebildet und sind vielfach in Traditionen erstarrt.
Allerdings gibt es, zunehmend auch im westlichen Kulturkreis, aktuell eine intensive Rückbesinnung auf die agnostischen Aspekte von Gautamas ursprünglichen Gedanken, die vor allem in der modernen Philosophie und Psychotherapie als stimmig betrachtet werden und zu keinerlei aktuellen Erkenntnissen moderner Wissenschaft in Widerspruch stehen.

Noch ein Wort zu den Sekten:

Wenn Ethik- oder Religionsunterricht in obigem Sinn "gecoacht" werden, findet Sektierertum, das ja eine Flucht vor kritischer Weltbetrachtung und Wahlmögklichkeiten ist, keinen fruchtbaren Boden mehr. Auch "elitären" und damit für Manche verführerischen Anschauungen wie Scientology wird mit dem Bewusstsein um die vernetzte Partizipation und Prozessgebundenheit allen Lebens jegliche Grundlage entzogen.



Giotto di Bondone


"Vertreibung der Händler
aus dem Tempel"
   
Es ist offensichtlich, daß die "moralische Evolution" einer auf materielle Werte und arrogant-egoistische Machtausübung fixierten Konsumgesellschaft hinter den Notwendigkeiten und ethischen Möglichkeiten des Menschseins hinterherhinkt und eine radikale Umorientierung erfordert.
Diese mit zu fördern und eine lebensbejahende Menschheitsperspektive im Sinne von Jesus und Buddha, Gandhi, M.L. King, Nelson Mandela und den tausenden anderer Humanisten zu schaffen, ist auch und vordringlich Aufgabe jedes einzelnen Pädagogen - viele kleine Tropfen füllen auch ein Meer!
Ein ethisch begründetes und kritisches Bewusstsein kann sich mit den bestehenden Verhältnissen nicht abfinden und muss die Geldhändler aus den Tempeln der Macht treiben.
Um dabei aber wirkungsvoll und nachhaltig argumentieren und handeln zu können, ist eine gute Kenntnis der aktuellen naturwissenschaftlichen Standards, der weltweiten Verflechtungen des Wirtschafts-, Banken- und Lobbyistensystems, verfehlter Subventions- und Abgrenzungspolitik, der bevorstehenden ökologischen Veränderungen etc etc notwendig, so daß vertieftes Allgemeinwissen Bestandteil jeder ethisch-religiös-philosophischen Debatte sein muss!
Werner Friebel

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"Wozu Philosophie?" - ein kurzer Essay

Unterrichtsidee: Mind Map "Philosophie der Lebenskunst"

(ist als Diskussionsgrundlage zur Reflexion über die wechselseitigen Beeinflussungen der dortigen Themenbereiche gedacht - Veränderungen und Erweiterungen erwünscht!)

Zur Philosophie der "Kulturellen Evolution"

Wikipedia-News: "Neuroethik"

   
mal anders philosophieren:



Outdoor-Philosophie am Schwedenfeuer
...mehr dazu  
   Unsere ausgewählten Buchempfehlungen zum Thema:

Werner Simon - “Philo auf der Suche nach dem Sinn des Lebens”

  Per Hubschrauber zu Sokrates

Wer Jugendliche oder "Quereinsteiger" für das scheinbar so altväterlich-trockene Thema 'Philosophie' begeistern will, sollte sich neben einer zeitgemäßen Sprache auch einen pfiffigen Aufhänger einfallen lassen. Jostein Gaarder hat es mit seinem Bestseller "Sophies Welt" vorgemacht, dass man 15-, 16-jährige im Ethikunterricht nicht "durchhegeln" muss, um sie auf den Geschmack der geistigen 'Haute Cuisine' zu bringen und damit Anfang der 1990er Jahre eine richtige 'Philomania' losgetreten.
Auch der promovierte Philosoph Werner Simon hat für sein 'Einsteigerbuch' einen fiktionalen Rahmen gewählt und es im Untertitel schon mal fingerzeigend als "postmodernes Märchen zur Geschichte der abendländischen Philosophie" ausgewiesen.
Im Vorwort stellt er denn auch klar, dass er keinen Anspruch auf akademische oder hochintellektuelle Ausdifferenzierung philosophischer Positionen hege, sondern im eher aufklärerischen Sinn zur möglichen Erheiterung philosophisch interessierter Laien beitragen wolle.
Na gut, dann wollen wir ihm auch den etwas unglücklich gewählten, in die Ratgeberecke weisenden Titel "Philo auf der Suche nach dem Sinn des Lebens" verzeihen und die darin mitschwingende Ironie wohlwollend als Lektüreproviant einheimsen.

      philo auf der suche

Der Handlungsrahmen ist eine Zeitreise, die der Altphilologe "Philo" in einem computergesteuerten Zeit-Hubschrauber vom Jahr 2050 zurück zu den Anfängen der Philosophie im antiken Griechenland unternimmt, um sich von dort in Zeitsprüngen durch die Denktraditionen der Jahrhunderte wieder seinem postmodernen Ausgangspunkt zu nähern. Gemäß dem Auftrag seiner schwangeren Lebensgefährtin "Sophie" soll er dabei die jeweils bedeutendsten Denker mit der Frage nach dem 'Sinn des Lebens' konfrontieren, um mit deren Antworten dem erwarteten gemeinsamen Kind die bestmögliche Erziehung angedeihen zu lassen. So beginnt er seine insgesamt 20 Besuche bei Sokrates, Platon & Co. und hubschraubert sich ohne wesentliche Gefahr quer durch Europa und die Zeiten bis zu Nietzsche und Heidegger, immer bemüht, eine befriedigende Essenz aus dem Gehörten zu destillieren.
Die gibt's natürlich nicht, dafür aber findet er durch Verknüpfen und Gegenüberstellen die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Denken der Geistesgrößen. Er stellt Entwicklungszusammenhänge her, ohne genealogisch haarklein zu sezieren, wobei man allerdings "Philos" Vermutungen über die Intentionalitäten der Denker nicht immer ganz ernst nehmen sollte.
Dabei entwickeln sich aber mitunter geistreiche Dialoge, in denen auch die schon länger am philosophischen Diskurs interessierten Leser manch frische Konnotation entdecken können.
Etwa in Anekdoten zu Platos 'Waldakademie', die "der Gottlosigkeit verdächtigt, erst endgültig geschlossen wurde, nachdem die finstere Zeit des Mittelalters mit seiner religiösen Vereinheitlichungstendenz über Europa hereingebrochen war, im selben Jahr 529 n. Chr., als der erste große Mönchsorden durch die Benediktiner gegründet wurde."
Oder zum 'Kategorischen Imperativ', dass nämlich "Kant anscheinend der erste Globalisierungsgegner war, der in ethischer Hinsicht gleiche Rechte und Pflichten für alle Menschen einforderte." Die Auswahl der interviewten Philosophen ist durchaus repräsentativ für die jeweiligen Denktraditionen, wenngleich man "Philo" gern eine weitere Zeitreise zum Besuch der hier 'Überflogenen' gönnen möchte, etwa der doch bis heute wirkmächtigen 'Stoa', des Mystikers Meister Eckhardt, Giordano Bruno, Marx und anderen Weltbewegern. Und dass er dem Ockham doch bitte sein "Rasiermesser" bringen möge ;-)

Das Buch will aber eben kein trockener, nur belehren wollender korrekter Abriss der abendländischen Geistesgeschichte sein, sondern interessierte 'Philosophie-Novizen' zur Auseinandersetzung mit bereits Gedachtem und dem eigenen Denken verführen. So lässt es sich der Autor auch nicht nehmen, seine Abneigungen und Sympathien für bestimmte Weltinterpretationen deutlich zu machen. Dabei kriegt nicht nur die Institution Kirche 'ihr Fett weg', sondern am Ende auch die lebens- und kulturfeindlichen Entwicklungen der zeitgenössischen Postmoderne.
Mit einem kleinen Wink zu einer möglichen positiven Lösung der individuellen 'Sinnfrage' gibts für "Philo" & "Sophie" am Ende doch noch ein Happy End - zwar haarscharf am Kitschrand entlanggeschrammt, aber kein echter Faux Pas in diesem unterhaltsamen und doch in seinem Grundanliegen anspruchsvollen Jugendbuch.

Werner Simon: “Philo auf der Suche nach dem Sinn des Lebens”
Novum Verlag, TB 224 Seiten

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© Werner Friebel 2008
(aus "Philosophische Schnipsel")

"Haben oder Sein" - Fromms aktuelles Vermächtnis

Schon Anfang der 1970er Jahre hat Erich Fromm, Mitbegründer der Analytischen Sozialphilosophie und einst Weggenosse Adornos, in etlichen Essays Lebensmöglichkeiten einer künftigen Gesellschaft entworfen, vieles davon wirkt wie gerade erst verfasst; etwa der Aufruf zum Verbraucherboykott als gesellschaftspolitischem Druckmittel oder die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen für jeden Bürger, womit er neben dem Philosophen André Gorz zur wichtigsten Stimme der gesellschaftspolitischen Umdenker, auch zum Vordenker der damals langsam aufkeimenden "Grünen"-Bewegung wurde.

haben oder sein amazonAls das Buch "Haben oder Sein" 1976 erschien, begann die westliche Industriegesellschft gerade zögernd, über die "Grenzen des Wachstums" zu diskutieren, die erste Ölkrise hatte Schockwellen geworfen, der erste Bericht des "Club of Rome" war erschienen, die Gefahren blindvertrauter Anwendungen in Medizin und Chemie manifestierten sich in Schreckensszenarien, die Atomkraft zeigte nach Aufdeckung der Störfälle in Sellafield ihr Katastrophenpotential. Fromm schrieb in einer Welt des Habens, die ihre Lebensgrundlagen vernichtet und sich nur ändern kann, wenn sich auch die Psyche des Menschen dahingehend ändert, dass Verantwortung und Humanität zu den ethischen Grundlagen des Handelns werden.

Scharfsichtig und sehr aktuell seine Analyse des "Marketing-Charakters" des modernen Menschen, die er schon in den vierziger Jahren entwickelt hatte und nun genau analysiert: Alles sei abgestellt auf vorübergehende Befriedigung, schnellen Konsum und Verschleiß. Sein Denken hat Wurzeln bei Marx und Freud, bei Jesus und Buddha, dazu in Visionen von Spinoza und Meister Eckhart; Fromm sagt: Es gibt Hoffnung, die Welt ist veränderbar. Es ist der Blick aufs Ganze, der bei Fromm fasziniert; sein Ansatz, nicht nur das Individuum, sondern die Gesellschaft mit dem Blick des Psychoanalytikers und vernetzt denkenden Philosophen zu studieren, wobei auch seine kritische Ausleuchtung der Folgeschäden institutionalisierter "Religionen" von zeitloser und somit auch gegenwärtiger Relevanz ist.

Wer sich intensiv mit den zentralen Fragen unseres modernen Lebens auseinandersetzen will, kommt um dieses prägnant formulierte, dabei gut verständliche und anregende Grundlagenwerk zeitgenössicher Philosophie kaum herum - it's a must!

Erich Fromm: "Haben oder Sein" dtv Verlag, TB 272 Seiten

Werner Friebel

"Leben lernen: eine philosophische
 Gebrauchsanweisung"

  von Luc Ferry

Ne, trotz des verdächtigen Titels kommt dieses philosophische ‘Survival-Kit’ nicht aus der Ratgeberecke der unterkomplexen Weltanschauungen leicht konsumierbarer Sinnerklärer, sondern ist ein geistreicher und meiner Meinung nach gelungener Versuch, jedem philosophisch interessierten ‘Einsteiger’, vor Allem Jugendlichen, Freude an der Selbstreflexion und erweitertem Denken zu vermitteln.
Dazu unternimmt der Autor Luc Ferry, vielfach preisgekrönt und französischer Erziehungsminister von 2002-04, eine Exkursion durch die Ideen- und Wirkungsgeschichte der (europäischen) Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart, wobei er neben die historischen Rahmenbedingungen die Frage nach dem konkreten Nutzen der jeweiligen Weltanschauungen in den Mittelpunkt stellt. Er erläutert ausführlich, warum sich das metaphysische Heilsversprechen des Christentums gegen das kosmologische griechische Weltbild durchsetzen konnte; wie Aufklärung, Humanismus und die Freiheitsvorstellungen von Descartes, Rousseau, Kant und Hegel die moderne Philosophie begründeten, bevor deren Ideale in der Dekonstruktion der Postmoderne, vor Allem durch Nietzsche, hinterfragt und scheinbar den neuen Götzen von Materialismus, Ich-Bezogenheit und Technokratie geopfert wurden.
      

Dabei bleibt Ferry aber nicht stehen, sondern er schlägt einen Bogen von Husserl über Heidegger in die Gegenwart, für die er jenseits von Skeptizismus und Dogmen jeglicher Art einen neuen Humanismus der liebenden Selbst- und Mitverantwortung fordert - weit über den herrschenden oberflächlichen Pluralismus hinaus.
Als didaktischen ‘Roten Faden’ hat Ferry die “klassische” Einteilung der Philosophie in “Theoria” (Erkennen der Realtität), die “Ethik” (zwischenmenschliches Verhalten und Gesetze) und die “Weisheit” (Suche nach dem persönlichen Lebenssinn) gewählt, anhand derer er die Zusammenhänge und Schlussfolgerungen der geistigen Prozesse verdeutlicht und mit vielen Beispielen erhellt.
Natürlich können auf gut dreihundert Buchseiten die komplexen Verflechtungen der Geistesgeschichte nicht in aller Tiefe dargestellt werden, mancher wichtige Denker, manche bereichernde Nebenströmung muss sich mit einer kurzen Erwähnung begnügen, doch der Einstieg zum Verständnis der Zusammenhänge gelingt Ferry mit seiner gut verständlichen Schreibe, zumal er weitgehend ohne akademisches Fachgedöns auskommt.

Seinen Lesern, denen Ferry im vertraulich-dialogischen Duz-Ton begegnet, macht er jedenfalls klar, dass Philosophieren keine Zitate-Klopperei bedeutet, sondern die Möglichkeit, ein reflekierendes Bewusstsein über das Bewusstsein zu entwickeln und für jeden Denkenden auf die Frage ‘Was soll ich tun?’ Antwortoptionen bereit hält.
Keine “ex-und-hopp-Lektüre”, sondern Anregung zu eigenem kritischen Denken - fundiert und mit Schmackes.

“Leben lernen: eine philosophische Gebrauchsanweisung” - von Luc Ferry
Kunstmann Verlag, 318 Seiten

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Werner Friebel

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"Buddhismus für Ungläubige"
               von Stephen Batchelor

Weit mehr als eine Einführung zeigt dieses Taschenbuch den philosophischen Hintergrund und die weitere Entwicklung von Gautamas Ursprung zu den unterschiedlichen buddhistischen Richtungen auf.
Die zeitlose Tiefe dieser Gedanken antizipiert unsere aktuelle gesellschaftsmoralische Verantwortung und macht für den Einzelnen nachvollziehbare Vorschläge zum immerwährenden "Was kann ich tun?"
Auch für "Einsteiger" geeignet, aber Grundkenntnisse erleichtern das Verständnis.


Fischer Taschenbuch, 144 Seiten

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Werner Friebel


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(Weblog mit vielen aktuellen, auch für den Ethik-Unterricht geeigneten Themen und etlichen Philosophie-Rezensionen)

Weitere Literatur zu Ethik und Philosophie

 

© Andreas Walter