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Chunks als Speichereinheiten bei Lernprozessen




Chunking - nie gehört?
Nun, das ist eine Lern- und Erinnerungsstrategie, derer sich jedes menschliche Gehirn ständig in mehr oder minder starkem Maß bedient. Der Begriff allerdings wurde erst 1956 von dem Kognitionspsychologen George A. Miller eingeführt. Die Chunking-Theorie beinhaltet Aussagen über den Umfang der Kurzzeitgedächtnisspanne, die nach Miller 7±2 Chunks beträgt und genetisch determiniert ist. Dabei wird der spezifische Inhalt einzelner Chunks als unbedeutend für das Kurzzeitbehalten gesehen, das heißt, die Gedächtnisspanne beträgt unabhängig von Reizmaterialien wie Binärzahlen, Dezimalzahlen, Buchstaben oder Wörtern in etwa fünf bis neun Chunks, während der Informationsgehalt (bits) dieser Materialien sehr unterschiedlich sein kann.
In den Neurowissenschaften, der Linguistik und der Lernforschung gewinnt dieser abstrakt erscheinende Begriff immer mehr praxisbezogene Bedeutung.
Auch für die Erklärbarkeit besonders herausragender geistiger Leistungen scheint das "Denken in Chunks" ein Schlüssel zu sein (siehe Artikel in "Spektrum der Wissenschaft/ Januar 07).

Praktische Beispiele

Lassen Sie mich die Funktionsweise des Chunking an drei praktischen Beispielen erklären:

Wenn ein Anfänger ein Musikinstrument, nehmen wir mal Klavier, erlernt, sieht er lauter einzelne Tasten vor sich, die er Schritt für Schritt zu Akkorden oder Melodiebögen zusammenzubauen lernt. Jeder einzelne Ton "besetzt" also erstmal einen Chunk. Mit der Zeit wird aus mehreren zusammengehörigen angeschlagenen Tönen eine Akkord- oder Tonfolgeneinheit, die er als einen Chunk abspeichert und, ohne über die Einzelbestandteile nachzudenken, wieder abrufen kann.

Ähnliches passiert beim Erlernen des Schachspiels:
Sieht der Anfänger nur einzelne Figuren auf bestimmten Feldern, ordnet der Profi ganze Figurengruppen, verschiedene Motive und Stellungsmerkmale zu sogenannten Strategemen, also abspeicherbaren Chunks, mit denen er gegenüber dem Anfänger ein Vielfaches an Wahlmöglichkeiten beurteilen kann (das erklärt teilweise auch die Fähigkeit zum "Blind-Schach").

Auch beim Sport wird "gechunkt", z.B. Tischtennis:
Die Beobachtung des Balles, Stellung zum Tisch, Ausholbewegung, Schlägerhaltung und -winkel und die Kraftdosierung des Schlags sind für den Anfänger zunächst Einzelelemente, die der Profi als einen Chunk verinnerlicht hat.
Bei Mannschaftssportarten wie Fußball oder Eishockey spricht man von eintrainierten Spielzügen - je besser die "gechunkt" sind, desto leichter und variantenreicher lassen sie sich umsetzen.

Diese Beispiele zeigen sehr anschaulich die Möglichkeiten des Hirns, mehrere, in sich selber schon komplexe Denk- und Arbeitsmuster zu vernetzen und somit schneller und vor allem assoziationsreicher zu denken und zu reagieren.
Und ist es nicht genau das, was wir für uns und unsere Coachees wünschen?

Chunk-Coaching

Wir alle "chunken" von Kindheit an, so ist z.B. der Komplex
   "Herdplatte - heiß - Schmerz - Weinen - Brandblasen"
ein Chunk, den wir nie vergessen werden. Wir können als Coach diese Fähigkeit zum Chunking fördern (aber bitte nicht durch Zuhilfenahme von Herdplatten ;-)

Grundsätzlich trainiert jeder aus Einzelheiten zusammengesetzte Arbeitsablauf und Denkprozess diese Fähigkeit und diese Chunk-Bildung erweitert dabei auch die "Innere Landkarte".
Achten Sie auf die Komplexität kommunikativer Prozesse:
"Sprechinhalt - Tonfall - Mimik - Körperhaltung" = ein Chunk (als Gesamteindruck).
Versuchen Sie als Pädagoge, wichtige Inhalte als "Chunking-Portionen" zu vermitteln, also in "7±2-Einheiten" rüberzubringen, ihre Didaktik mit in diesem Sinn erfassbaren Sätzen, Arbeitsbeispielen etc. zu entwickeln.
Fördern Sie Aktivitäten wie Musik, kreative Betätigung, Schach, anspruchsvolle Spiele etc., um zu lehren, vernetzte Strukturen zu "chunken".
Lesen Sie zu diesem Chunking-Komplex auch die CoKi-Artikel von Professor Bastian zu Musikpädagogik und von Professor Tausch zu Biologie & Lernprozesse!

Werner Friebel



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